Übereinandergestapelte Ecobricks - sie ergeben eine Wand.
Ein Plastikdorf für den Klimaschutz: Aus einer halben Millionen Ecobricks entsteht in Indonedien das größte Recyclingdorf der Welt.

Project Wings

Umweltorganisation baut größtes Recyclingdorf der Welt in Indonesien

20.09.2022 | Lesedauer: 5 Minuten

Ecobricks: So wird aus Plastikmüll Baumaterial

Bunt gemustert sehen die PET-Flaschen von Weitem aus, als hätte sie jemand von der Innenseite in leuchtenden Farben verziert. Bei näherem Hinsehen aber wird erkennbar, dass die Farbexplosion aus dem Inneren der Plastikflaschen eine dichtgepresste Mischung aus Verpackungen ist – Plastikmüll, genaugenommen. Wird dieser Verpackungsmüll gereinigt, in Schnipsel zerkleinert und dann kompakt in die PET-Flaschen hineingedrückt, entsteht ein sehr widerstandsfähiges Baumaterial: „Ecobricks“. In Bambusgerüste geschichtet und mit Lehm umhüllt entstehen daraus robuste, wetterfeste und nachhaltige Gebäude.

Die Koblenzer Jungunternehmer Marc Helwing und Leonie Deimann gründeten zusammen mit zwei Freunden im Jahr 2019 auf Basis dieser Idee die Hilfsorganisation Project Wings. Mit Unterstützung verschiedener Universitäten entwickelten sie die Ecobricks so weiter, dass aus ihnen ein ganzes Dorf errichtet werden kann.

Eingangstor zum größten Recyclingdorf der Welt.width

Eingang zum größten Recyclingdorf der Welt. Foto: Project Wings

Eine Wand eines Hauses im Recyclingdorf. Eine Hälfte ist mit Lehm verputzt - auf der anderen sieht man noch die Ecobricks.width

Die Wände der Gebäude im Recyclingdorf bestehen aus Hunderten sogenannten Ecobricks - Plastikmüll. Foto: Project Wings

Müll schwimmt im Wasserwidth

In vielen Teilen Indonesiens gibt es kein funktionierendes Recyclingsystem. Der Müll landet oft in Flüssen oder im Meer. Foto: Project Wings

Viele bunte Ecobricks sind übereinandergestapeltwidth

Bei den Ecobricks handelt es sich um PET-Flaschen, die mit Mischplastik, Tüten und Folien gefüllt werden. Sie sind stabil und eignen sich zum Bau von Häusern. Foto: Project Wings

Plastikdorf als Alternative zum fehlenden Recyclingsystem

Die vier Gründer*innen wollen der Bevölkerung in den ländlichen Regionen Sumatras helfen, Plastikmüll auch ohne Müllabfuhr und Recyclingsystem sinnvoll wiederzuverwenden. Dafür erhalten die Gründer*innen inzwischen viel Hilfe von den Einwohnern des Dorfs Bukit Lawang, die ihrerseits froh sind, dass der Müll nicht mehr zentnerweise in der Natur liegenbleibt.

Natürlich werden die Menschen für ihren Einsatz auch entlohnt: So erhält jede*r, der oder die einen 500 Gramm schweren Ecobrick aus selbstgesammeltem Müll herstellt, 5.000 Indonesische Rupien als Bezahlung. Das ist genug, um sich vor Ort ein warmes Mittagessen zu leisten.

Project Wings schafft Arbeitsplätze im Recyclingdorf

Ging es zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung noch hauptsächlich um Abfallverwertung und nachhaltiges Wirtschaften, ist Project Wings durch die Corona-Pandemie für viele Menschen in Bukit Lawang zugleich eine wichtige wirtschaftliche Unterstützung geworden. Der Großteil der ortsansässigen Bevölkerung arbeitet im Tourismus und sei durch die Pandemie zeitweise oder dauerhaft arbeitslos, wie Marc Helwing in einem Interview mit dem SWR erklärte. Die Ecobricks waren ein erster Schritt um diesen Menschen finanziell zu helfen.

Doch auch darüber hinaus leistet Project Wings Unterstützung. Mehr als 70 Jobs hat die NGO bereits seit ihrer Gründung für Einheimische innerhalb des Recyclingdorfs geschaffen. „Wir versuchen außerdem, mehr Menschen in die Selbstständigkeit zu holen, die dann wieder die Möglichkeit haben, andere Menschen einzustellen“, sagte Helwing dem SWR. Damit das gelingt, will Project Wings die Menschen in Bukit Lawang dazu befähigen, eigene Unternehmen zu gründen. So entstehen in dem Recyclingdorf unter anderem ein Bildungszentrum und ein Co-Working-Space mit Büroarbeitsplätzen, um Umweltwissen und Infrastruktur zur Gründung nachhaltiger Firmen zur Verfügung zu stellen. Finanziert werden die Gebäude über Spenden von Privatleuten, Unternehmen und Stiftungen.

Private Spenden fließen zu 100 Prozent in die Projekte

Das junge Gründungsteam von Project Wings lernte sich vor einigen Jahren über die Arbeit in Fußgängerzonen für eine Fundraising-Organisation kennen. Dabei begannen die Jugendlichen auch darüber nachzudenken, warum die Spendenbereitschaft laut Studien in der deutschen Bevölkerung so stark nachgelassen hat. Ihr Fazit: Oft seien die Strukturen von Hilfsorganisationen zu undurchsichtig und zu viel Spendengeld fließe in Zwecke, die nichts mit den eigentlichen Hilfsprojekten zu tun hätten. Darum gilt bei Project Wings: Spenden von Privatleuten fließen zu 100 Prozent in die Projekte vor Ort. Um Verwaltungs- und Reisekosten zu decken, zieht Project Wings ausschließlich die Spenden von Unternehmen und Stiftungen heran.

Wer Project Wings nicht nur finanziell, sondern ganz praktisch unterstützen möchte, kann auch das tun. Freiwillige, die vor Ort mit anpacken möchten, werden immer gesucht: Für umgerechnet knapp sechs Euro pro Tag können die in Burkit Lawang in einfachen Hütten übernachten, die Verpflegung mit drei Mahlzeiten ist inklusive.

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